The Belgian ZERO artist Jef Verheyen (1932-1984) became known as the painter of light streams and colour spectra. He experimented not only with light, but also with movement and the invisible as means to evoke natural mechanisms and to reveal universal interrelationships between human beings and the surrounding world. He used geometric principles – his passion for geometry was born out of his interest in mathematics and (Greek) philosophy – as the basis for harmony. Verheyen never gave up on traditional media and materials such as the canvas, paint, and brushes to search for the essence of our nature. 

Jef Verheyen

Die einzige Dimension, 1960
Text

Man sagt: ein Wald bildet eine Einhet.

Man sagt: ein Wald bildet eine Einhet. Aber ein Wald bestehy nur als multiplizierter Baum, und jeder Baum, und jeder Baum ist volkommen unabhängig vom Wald, in dem er wächst.

Ein Baum existiert an sich, ein Wald nie, denn ein Wald ohne Bäume wäre ja auch kein wald mehr. Die Grösse eines Waldes hängt von Höhe und Anzahl der Bäume, die jeder ihre bestimmte Dimension haben, ab. Die Anzahl also der anwesenden Dimensionen soll massgebend sein, ein Baum und ien Grashalm wachesen beide, aber ihre Verhältnisse zueinander ändern sich während des Wachesens nicht. Für einen Baum ist die Umgebungsform der Wald, während derselbe Baum für die anderen Bäume den Wald darstellt.

 

Der trennende Umriss der Bäume ist der Wald; die Innenform des Waldes ist der Baum, während für diesen Baum der Wald als Aussenform gilt. Der Baum bedeutet beides, Inneres und Ausseres, eigene Natur und die Natur, eines und das Andere. Eins kann nur mit Eins verglichen werden, und zwischen zwei Dingen gleicher Qualtät gibt es keinen Unterschied, weil sie zusammen 1 x 1 ausamchen. So bleiben etwa 4 x 1 Mensch vier Menschen, sie werden aber nicht vier Menschen der Qualität nach, also nicht viermal mehr Mensch.

 

Trotzdem werden die drie Dimensionen immer wieder gesondert behandelt, wie drie verschiedene Einheiten: Länge, Höhe und Breite. Aber wie soll man eine dieser drei Dimensionen darstellen, ohne dass die zwei anderen anwesend sind? L x H x B ist eine geometrische Formel, d.h. 1:3. Wenn man uns lehrt, dass H x B ein zweidimensionales Flach  darstellt, irrt mann sich. H x B können nicht anders als durchsichtig sein,a-dimensional, weil es kein Flach ohne eine gewisse Breite gibt. Wenn man eine Mauer van 50 x 50 vorstellt, wird diese Mauer nur dan bestehen, wenn sie Materie hat, die Breite eines ziegels z.B. Denkt man die Ziegel weg, so bleibt nichts übrig und ist Dimensionales da. Nichts heisst also dimensional oder plastisch, wenn eine der drei Dimensionen fehit.

 

Höhe und Breite eines Bildes sind also vollkommen unbestimmbar. Das sogenannte bemalte flach ist etwas eingebildetes. Ich weiss, dass das Bild, das der Maler bearbeitet, eine gewisse Dicke hat, aber diese hat keinen anderen Wert als den Raum, den der Maler darstellen will, hinten zusammenzuhalten. Ideell und reell besteht für den Maler diese Rückseite nicht, und sollte es ihm einmal möglich sein, für den Betrachter etwas rein Malerisches vorzustellen, so wird er weder die Vorderseite noch die Rückseite nötig haben. Also steht das Malerische und die reis malerische Wahrnehmung ausserhalb des Plastischen, ausserhalb der unterscheidenden Ordnung, die wir die materielle Ordnung nennen.

 

Jeder nimmt an, dass es vier Dimensionen gibt und dass L x H x B einen dreidimensionalen Wert haben, eine dreidimensionale Form darstellen. An sich bleibt diese Form statisch, aber weil sie nur im Raum oder in einer Umgebung bestehen kann, nur eine Bestimmung für das Unbestimmte sein kann, wird dieses Unbestimmte für die vierte Dimension das Bestimmte, und ist diese vierte Dimension alles, was wir als Dritte wahrnehmen. Demnach sind wir sowohl die eine als die andere Dimension: wir sind die einzige dimension, und von vier Dimensionen kann nicht die Rede sein.

 

Jef Verheyen

Panarea 1960

 

Published in:

Galerie Bernard, exh. cat., 1961, n.p.
Ad Reinhardt / Francesco Lo Savio / Jef Verheyen, exh. cat., 1961, n.p.
De Tafelronde Vol. 8 (1963) Nr. 3: p. 32-33.
Monographie für Jef Verheyen (Egoist n. 11), 1967